Das Leben hört nicht auf, lustig zu sein, wenn Menschen sterben; genauso wenig wie es aufhört, ernst zu sein, wenn Menschen lachen.
G.B. Shaw
Sterbebegleitungen
passieren einfach, wenn wir kontinuierlich Patient:innen auf Palliativstationen, Bewohner:innen in Seniorenzentren oder Hospizen besuchen. Es entstehen Freundschaften und wenn es soweit ist, verabschieden wir uns wie Freunde das tun.
Manchmal wurde Hella auch gerufen, wenn sich einem guten Freund das Finale ankündigte und kein regulärer Clownsbesuch in Sicht war, in den Weihnachtsferien zum Beispiel. Dann war ich einfach da. Ich fand für die Angehörigen kleine Gesten oder Ideen, die ihnen in dem Moment gut taten. Und in der festen Annahme, dass der Körper des sterbenden Freundes zwar erschöpft aber die Seele ganz präsent ist, sprachen wir miteinander und in manchen Momenten unterstrich er durch ein Kopfnicken, Handheben oder Augenblinzeln, dass ihm das gesagte wichtig ist. Dann waren wir ganz nah zusammen.
Einmal wurde der Familie einer jungen schwer kranken Frau erzählt, dass Hella auf der Beerdigung eines jungen Mannes dabei war und das wollte die Familie für ihre Tochter und Schwester auch. Aber Hella sollte sie vorher kennenlernen. Und so begleitete ich sie ca. ein Jahr lang und konnte auch ganz da sein, als es soweit war. Unsere letzte Begegnung fand verückterweise in einer virtuellen Clownssprechstunde statt. In manchen Begegnungen zuvor war sie schon so schwach, dass J. kaum eine Reaktion möglich war. Aber obwohl wir uns „nur“ von Bildschirm zu Bildschirm trafen, war J. nochmal ganz wach, guckte mit ihren sternenklaren schönen Augen, wir sangen für sie und verreisten ganz leicht als Schmetterlinge einmal um die Welt. Immer wieder huschte ihr ein Lächeln übers Gesicht. Immer wieder fielen ihre Augen zu. Manchmal rollten ihr Tränen übers Gesicht. Drei Tage später flog ihre Seele aus. Das hatte sie schon lange geübt. Uns virtuell zu treffen war Eingebung und Wunder zugleich. 1000 Dank liebe J.-Mama, dass du uns das ermöglicht hast!
Schwer und unendlich schmerzhaft ist es sowieso. Ich finde es wird leichter, wenn wir dem ganz offen begegnen, offen auch für die Freude an all den geliebten gemeinsamen Erinnerungen oder die Freude, wenn die Familie und Freunde zusammen kommen oder wenn noch einmal unvergeßliche Momente gemeinsam erlebt werden, die ja auch sehr süß, lustig oder komisch sein können. Warum nicht? Schwer und unendlich schmerzhaft ist es sowieso. Ich glaube auch, dass es den Menschen hilft, die gehen müssen.
Einmal kamen wir zu einem Patienten, den wir nicht kannten. Er war unruhig, schmerzerfüllt und fabulierte anklagend.Erstmal waren wir nur da und berührten ihn. Dann sang ich Moonriver und Am Brunnen vor dem Tore und spielte dazu ganz sanft auf der Ukulele. Er wurde ganz ruhig und wir schlichen uns aus dem Zimmer. Kurz danach starb er. Laut Arzt starb er friedlich. Wir konnten ihm von der Unruhe in die Ruhe helfen. Gut …
Herr Krüger war ein Palliativpatient, den vor allem Nono und Hella in vielen sehr ausgelassenen und komischen Begegnungen sehr ins Herz geschlossen haben. Er war immer lebensfroh und lustig. Wir haben viel gelacht, Absurdes erfunden, romantisch musiziert und getanzt. Mutig sah er aber auch den Tatsachen ins Auge und es ging ihm zusehends schlechter bis er verstarb. Unsere letzte Begegnung endete mit seinem Satz: „Habt das doch wieder jeschafft!“ und seinem Lachen. Wir wussten, dass es ihm furchtbar schlecht geht. Die Details erspare ich Ihnen. Wir schauten vorsichtig ins Zimmer. Er schüttelte den Kopf: „Heute nicht!“, „Na gut, wir sagen Dir nur Tach und dann sind wir wieder weg, okay?“, „Na gut …“, „Hallo“, Hella nimmt seine Hand. Herr Krüger muss weinen und ihm ist so übel. „Warte mal, ich hab Düfte dabei, vielleicht hilft ja einer?“ Er stimmt zu und Hella kramt zwei Ölfläschchen aus ihrer grünen Brottasche: „Hier riech mal ´Klarer Kopf`!“ Hella hält ihm eine … -Duftmischung mit Pfefferminz unter die Nase, „Fmh oh ja, das tut gut!“, „Hm, oder doch ´Gute Laune`?“ Jetzt hält sie ihm eine …-Duftmischung mit Citrus und Orange hin. „Fmh, auch gut!“, „Welchen willst Du lieber?“, „Ich brauche beide!“, „Ja, natürlich! Aber wie lassen wir die hier? Ich habs …“ Hella nimmt eine Serviette, dreht daraus eine Rose, tropft in die Blüte „Klarer Kopf“ und auf das Blatt „Gute Laune“. Die Stimmung hat sich gelöst wir freuen uns und Herr Krüger erzählt, dass er noch die Hochzeit seines Sohnes erleben will und dass seine Tochter aus der Schweiz zu Besuch kommt und dass er nach Hause will. Die Psychologin kommt herein. Sie staunt über die gelöste Stimmung und wir verabschieden uns sehr herzlich und Herr Krüger sagt: „Habt das doch wieder jeschafft!“ Er lacht und winkt.
Eine SCHÖNe Geschichte
trug sich mit Floppi in einem Seniorenheim zu. Gleich am Anfang unseres Clownsbesuchs entführte uns die Leiterin des Hauses mit den Worten: „Ihr müsst unbedingt zu Eurer Freundin Frau Schön. Sie liegt im Sterben!“ Wir gucken sie fragend an: „Wer ist Frau Schön?“, „Ihr kennt sie, Ihr werdet schon sehen!“ Da wir die meisten Senioren in Fluren und Esszimmern mit vielen anderen treffen, schaffen wir es nur selten uns ihre Namen zu merken. An ihrem Zimmer angekommen, gehen wir vorsichtig hinein und an ihr Bett. Ihre Augen sind zu. Wir erkennen sie, nicken uns zu, Floppi zückt seine Ukulele. Wir wissen, dass sie das Lied „Für mich soll´s rote Rosen regnen“ liebt. Das haben wir schon oft mit ihr zusammen gesungen. Sie kann den Text, wir nur mit ihrer Hilfe. Hella beugt sich vor berührt ihre Schulter und Hand und sagt: „Ach, Sie sind Frau Schön, das wusste ich gar nicht. So ein schöner Name! … Hmmm, wollen Sie mich heiraten?“ Sie blinzelt, ihr huscht Erheiterung durch´s Gesicht und sie bemüht ihre brüchige Stimme: „Bisschen spät!“ Wir lachen und weinen und singen „Für Dich soll´s rote Rosen regnen …“ soweit wir ohne sie kommen, dann summen wir zu Floppi´s Ukulele
In der Leseecke unter Clownsgeschichten könnt ihr weiterlesen …
Und hier noch eine Buchempfehlung: „Am Ende ist nicht Schluss mit lustig “ , »Der Tod lächelt uns alle an. Das einzige, was man machen kann: zurücklächeln.«
„Krankheit, Sterben und Tod – da gibt es nichts zu lachen, oder?
Harald-Alexander Korp sieht das ganz anders. Lachen wirkt entspannend, hilft Sprachlosigkeit zu durchbrechen und schafft Erleichterung. In diesem Buch schildert er, wie der Humor dabei hilft, Sterben und Tod besser zu bewältigen. Menschen am Lebensende, Angehörige und vor allem Pflegende erfahren hier, wie der Humor als Widersacher der Angst auf spielerische Weise Distanz schafft und die Kraft für das Loslassen stärkt.“ Artikel in weltbild.de